Blutzucker,Hypo/Hyperglykämie

Hier kann über alle Maßnahmen von der Ersten Hilfe bis zur klinischen Behandlung diskutiert werden.

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17.11.2009, 15:11
Hallo,

eine Frage was soll man tun bei:

-unterzuckerten Patienten

-überzuckerten Patienten

und wie ist das mit dem Traubenzucker?

LG A112

17.11.2009, 16:16
was soll man tun bei:

-unterzuckerten Patienten


Das hängt vom Bewußtseinszustand des Patienten ab. Ist der Patient nicht bewußtseinsbetrübt, kann man ihm Zucker oral zuführen. Das könnte eine zuckerhaltige Limonade sein, Dextro-Energen oder eine gesättigte Zuckerlösung.

Ist der Patient bewußtseinsgetrübt sollte man erstmal einen Notarzt alarmieren.
Die Therapie liegt dann in der intravenösen Gabe von Glucose. Hierfür werden erstmal 4-8g Glucose (=10-20ml Glucose 40%) im Bypass mit einer laufenden kristalloiden Lösung gegeben. Dieses Vorgehen ist notwendig, da die sehr konzentrierte Glucoselösung sonst die Venen reizen würde.

Wenn vorhanden kann man als Ersthelfer auch einen Glucagon-Pen anwenden.

-überzuckerten Patienten


Die Therapie der Hyperglycämie überfordert den Ersthelfer in der Regel.
Sollte es sich um eine milde Hyperglycämie handeln, dann besteht kein akuter Handlungsbedarf. Ab einer Blutglucosekonzentration von 250 mg/dl wird Glucose allerdings nicht mehr über die Nieren zurückresorbiert und folglich im Urin ausgeschieden. Dies führt zu einer vermehrten Ausscheidung, da die Glucose das Wasser osmotisch bindet.

Bei einem hyperglycämischen Koma liegen Werte im Bereich von wahrscheinlich >500 mg/dl über längere Zeit vor. Achtung: Solche Werte darf man nicht schnell korrigieren! Zunächst einmal muss der Patient behandelt werden, wie jeder andere Bewußtlose auch, d.h. Notarzt nachfordern, Überwachung, Monitoring, ggf. Atemwegsicherung, Klinikeinweisung. Die einzige sinnvolle präklinische Möglichkeit besteht in der Gabe kristalloider Flüssigkeit um die sicher bestehende Exsikkose zu behandeln. Die Blutglucosekonzentration wird dann mit langsamer Glucosegabe über Perfusor kontrolliert gesenkt. Dabei wird der Serumkaliumspiegel sinken, was wiederum zu gefährlichen Herzrhythmusstörungen führen kann. Also brauch der Patient einen Kaliumperfusor. Diesen kann man wiederum nur über einen zentralvenösen Zugang anschließen. In den ersten 12h sollte man dann die Blutglucosekonzentration nicht unter 250 mg/dl senken, da es sonst zu einem Hirnödem kommt.

Mit anderen Worten - Die einzige sinnvolle Möglichkeit für den San/RS/RA liegt in einer Nachforderung des NAs und in der Gabe kristalloider Flüssigkeit.

Nochmal: Keine Bolusgabe von Insulin, selbst wenn es verfügbar sein sollte!


und wie ist das mit dem Traubenzucker?

Die Frage bedarf der Präzisierung....
Es ist Dein Recht, Waffen abzulehnen. Es ist Deine Freiheit, nicht an Gott zu glauben. Aber wenn jemand in Dein Haus einbricht, sind die ersten beiden Dinge, die Du tun wirst: Jemanden mit einer Waffe rufen und beten, dass er rechtzeitig da ist.

17.11.2009, 16:25
Hallo erstmal,

wenn der Patient bewusstlos ist, oder auch nur eingetrübt, wird seltbstverständlich der Rettungsdienst gerufen. Bis dahein beobachten, Vitalparameter kontrollieren und Seitenlage.

Einem untersuckerten Patienten könnt ihr, solange er klar ansprechbar ist, Traubenzucker geben. Wenn das nicht vorhanden sein sollte, gehen auch Fruchtsäfte. Nicht ganz so schnell, aber alternativ auch denkbar sind Cola oder Schokolade.
Diese Zucker werden relativ schnell aufgenommen, aber auch schnell wieder abgebaut. Deswegen solltet ihr dem Patienten raten, dass er noch etwas zu sich nimmt, was länger vorhält, wie z.B. Brot, Pommes oder Nudeln.

Eine Überzuckerung werdet ihr nur bei einem Diabetiker antreffen. Diese Erkrankung muss allerdings nicht unbedingt vorher schon bekannt sein.
Solange er klar ansprechbar ist, wird er, so er das dabei hat selbst sein Insulin spritzen. Hat er das nicht dabei, ist er ein Fall für den Arzt. Das kann ggf. auch nach Rücksprache der Hausarzt sein. Ansonsten ist aber auch ein Notruf nicht verkehrt.

Frage soweit beantwortet?



Edit: Nachdem zwischenrein mein Telefon geklingelt hat, war ich wohl ein bisschen langsamer... ;)
Zuletzt geändert von Bine am 17.11.2009, 16:26, insgesamt 1-mal geändert.
...meint die Bine
RS, Ausbilderin EH, SanKurs, AED und Praxisanleiterin
Studentin (Bio und Chemie auf Lehramt)

17.11.2009, 22:02
Don, noch eine kurze Zwischenfrage:

Bei Deiner Empfehlung, den Notarzt nachzualarmieren, beschränkst Du Dich auf das Coma diabeticum?
(Das ist mir dann schon klar, warum wieso weshalb. :P )

Oder würdest Du dem RTW-Team auch prinzipiell eine Nachalarmierung bei einem ansprechbaren Patienten mit Symptomatik und hohem Glucosespiegel raten? Wenn ja, warum?
Denn zur Zeit bin ich eigentlich der Ansicht, das ich so einen Patienten ganz gut allein in die Klinik gebracht bekomme. Übersehe ich irgendwas wesentliches (außer einer möglichen Bewusstseinsänderung, o.ä. Zustandsänderung ) ?
Gerrit (RettAss)
"Wir sind längst im Paradies, haben die Hölle draus gemacht!" --- ASP, Ich bin ein wahrer Satan
ASP - Sage Nein!

18.11.2009, 08:25
Original von GeKue
Bei Deiner Empfehlung, den Notarzt nachzualarmieren, beschränkst Du Dich auf das Coma diabeticum?

Ja, wobei ich eine erhebliche Bewußtseinstrübung als ausreichend ansehen würde.

Oder würdest Du dem RTW-Team auch prinzipiell eine Nachalarmierung bei einem ansprechbaren Patienten mit Symptomatik und hohem Glucosespiegel raten?

Nein. Die Frage ist nur, ob ein Patient mit einer Hyperglycämie aber ohne diabetisches Koma überhaupt den Rettungsdienst rufen würde.
Ist der Patient aber ansprechbar und hat "nur" eine Hyperglycämie, ist ein RTW ausreichend, wahrscheinlich aber auch ein Besuch beim Hausarzt.
Es ist Dein Recht, Waffen abzulehnen. Es ist Deine Freiheit, nicht an Gott zu glauben. Aber wenn jemand in Dein Haus einbricht, sind die ersten beiden Dinge, die Du tun wirst: Jemanden mit einer Waffe rufen und beten, dass er rechtzeitig da ist.

18.11.2009, 15:05
Zugegeben, meistens taucht sowas im Höchstfall als RTW-Einweisung auf oder man stolpert bei dem Stichwort "Kreislaufbeschwerden" oder "unbekannte Erkrankung" ( ;) ) von selbst über einen (deutlich) erhöhten Blutzucker... und da hab ich durchaus auch schon einen Patienten zu seinem Hausarzt gebracht, statt in die Klinik. Ist ja ein durchaus statthaftes Transportziel, die Praxis eines niedergelassenen Arztes.
Auch wenn das bei vielen Kollegen gar nicht im Gedankenfocus vorkommt...
Gerrit (RettAss)
"Wir sind längst im Paradies, haben die Hölle draus gemacht!" --- ASP, Ich bin ein wahrer Satan
ASP - Sage Nein!

19.11.2009, 14:15
Original von Don Spekulatius


Wenn vorhanden kann man als Ersthelfer auch einen Glucagon-Pen anwenden.


Was ist das?

Original von Don Spekulatius

Mit anderen Worten - Die einzige sinnvolle Möglichkeit für den San/RS/RA liegt in einer Nachforderung des NAs und in der Gabe kristalloider Flüssigkeit.



Was versteht man unter kristalloider Flüssigkeit vielleicht NaCl?
Zuletzt geändert von André-SSD am 19.11.2009, 14:17, insgesamt 1-mal geändert.

19.11.2009, 16:02
Wer noch nie was von einem Glucagon-Pen gehört hat, sollte m.M. nach diesen auch nicht anwenden.
Darunter versteht man eine Spritze mit Glucagon (Hormon zur Erhöhung des BZ-Gehalts) die bei Unterzuckerung i.m. (in den Muskel) oder subcutan (unter die Haut gespritzt wird).
Vorteil gegenüber Glucose ist, dass dadurch Gewebeschäden vermieden werden.

Kristalloide Flüssigkeiten sind zum Beispiel NaCl oder Ringer, der Gegensatz dazu sind kolloidale Infusionen wie HAES und Hyper-HAES.
Mitglied bei *dem* BRK und bei den Brandpatschen

19.11.2009, 16:51
Wer davon noch nie gehört hat, käme auch nicht Idee danach zu suchen, bzw. würde den Pen (falls er ihn zufällig findet) im Notfall nicht dem Krankheitsbild zuordnen.
Aber ansonsten sind diese Pens ja gerade dafür konzipiert, dass man ohne große Ahnung damit umgehen kann.

19.11.2009, 17:20
Glucagon ist im Körper der Gegenspieler zum Insulin. Während Insulin die Körperzellen dazu veranlasst vermehrt Zucker aus dem Blut aufzunehmen, bewirkt Glucagon die Freisetzung von Glucose (zum Beispiel aus den Zellen der Leber) ins Blut, der Blutzuckerspiegel steigt also an. Normalerweise wird ein Diabetiker selber merken, wenn er unterzuckert und rechtzeitig etwas essen oder trinken. Für Notfälle haben einige (?) Diabetiker eine Spritze mit Glucagon dabei, welche dann durch Angehörige verabreicht werden kann, wenn der Patient nicht mehr in der Lage ist sich selber zu helfen. Um die Verabreichung unkomplizierter zu machen gibt es mittlerweile einen sog. ‚GlucaPen‘. Dieses Ding sieht ein bisschen aus wie ein dicker Kugelschreiber. Wenn es auf die Haut gedrückt wird kommt vorne eine feine Nadel raus und injiziert das Glucagon.

Hier gibt’s ein Video zu dem Teil

Kristalloide Infusionslösungen oder auch Elektrolytlösungen enthalten im einfachsten Fall Waser und Kochsalz (NaCl). Sogenannte Vollelektrolytlösungen enthalten weitere Elektrolyte wie Calcium, Kalium, Natrium, Chlorid,… in einer Zusammensetzung ähnlich der im Körper. Zusätzlich sind organische Anionen wie Acetat, Malat oder Laktat zugesetzt. Also beispielsweise Sterofundin.

Im Gegensatz dazu finden gelegentlich auch kolloidale Lösungen Verwendung. Diese enthalten zusätzlich sehr große Kohlehydratmoleküle oder Proteine, welche die Blutgefäße nicht verlassen können. Dies führt zu einer verminderten Diffusion von Flüssigkeit aus den Blutgefäßen ins umliegende Gewebe. Daher werden Diese Infusionslösungen auch als ‚Pasmaexpander‘ bezeichnet. Ein Beispiel hierfür wäre 6% HES.

Falls ich jetzt völligen Humbug geschrieben haben sollte bitte ich um Korrektur durch Wissende! ;)
Falls Gott die Welt geschaffen hat, war seine Hauptsorge sicher nicht, sie so zu machen, dass wir sie verstehen können. (Albert Einstein)

19.11.2009, 21:13
Off-Topic:

Das eigentliche Problem an kristalloiden Lösungen ist, dass sich die Flüssigkeit sofort nach der Infusion gemäß der Verteilung der Gesamtkörperflüssigkeit verteilt. Grob gesagt bedeutet dies, dass von einem Liter kristalloider Lösung nur 20% im Gefäßsystem verbleiben und 80% in einen Bereich gehen, wo wir sie nicht haben wollen.
Dieses Problem besteht bei Kolloiden zumindest im Volumenmangel nicht, hier verbleiben 100% im Gefäßsystem.

Ansonsten sollte die Infusion von isotoner Nacl-Lösung heute eigentlich obsolet sein. Statt dessen sollte man zu balanzierten Vollelektrolytlösungen greifen. Macht auch finanziell keinen großen Unterschied.
Es ist Dein Recht, Waffen abzulehnen. Es ist Deine Freiheit, nicht an Gott zu glauben. Aber wenn jemand in Dein Haus einbricht, sind die ersten beiden Dinge, die Du tun wirst: Jemanden mit einer Waffe rufen und beten, dass er rechtzeitig da ist.

19.11.2009, 21:26
Sag ich doch ;)
Falls Gott die Welt geschaffen hat, war seine Hauptsorge sicher nicht, sie so zu machen, dass wir sie verstehen können. (Albert Einstein)

27.11.2009, 22:32
Hallo zusammen!

Lauter Experten hier. Notfallpen und Infusion.
Ich glaube ihr habt André nicht wirklich geholfen.

Hier ein Antwort für alle, die keine Notfall-Pen und keine Infusion haben:

Überzuckerung:
Eine massive Überzuckerung entwickelt sich in der Regel über Tage und Wochen. Als Notfall tritt sie daher selten auf, da die Risikogruppe meist den Blutzucker kontrolliert.
Typische Symptome wären ein Geruch nach Aceton (Nagellackentferner), großer Durst und häufiges Wasserlassen.
Der Blutzucker wird i. d. R. im Krankenhaus wieder "eingestellt" - ggf. gemächlicher Transport im KTW oder RTW unter Überwachung.

Unterzuckerung:
Das Problem ist, dass du die Unterzuckerung erkennen musst. Ohne BZ-Messgerät ist das typische Leitsymptom eine allgemein Schwäche und eine Bewusstseinseintrübung. Achtung: Manchmal wirken die Patienten wie Betrunken; oder man vermutet einen Schlaganfall.
Wenn man nun - auch aufgrund der Krankengeschichte - zum Schluss gekommen ist, dass es sich wahrscheinlich um eine Unterzuckerung handelt, kann man - beim ansprechbaren, wachen Patienten mit Schutzreflexen (Schlucken) Kohlenhydrate geben.

Traubenzucker kann sehr schnell aufgenommen werden, andere Zucker gehen aber - zur Not - auch. Hauptsache Kohlenhydrate (s.o.).

Ohne Zucker geht das Gehirn kaputt! Ziemlich schnell. (Zu viel Zucker macht das Gehrin auch kaputt - aber langsam).

Wenn man kein Blutzucker-Messgerät hat, sollte man im Zweifelsfalle von einer Unterzuckerung ausgehen und Kohlenhydrate (Traubenzucker) geben.
Das rettet den Patienten mit Unterzuckerung und erhöht den BZ des Patienten mit Überzuckerung nur unwesentlich.

Hausaufgabe:
1.) Wie funktioniert die Blutzuckerregulation beim Menschen?

2.) Chemie der Kohlenhydrate: Welche Unterschiede gibt es zwischen Traubenzucker (Glukose), Haushaltszucker (Saccharose) und dem Zucker in Brot (Stärke)? Was bedeutet dies für die Aufnahmegeschwindigkeit der Kohlenhydrate?

3.) Wie viel Gramm Zucker (Glucose) hat ein Mensch im Blut?

Viele Grüße

Gerd
Gerd,
Fachkraft für Arbeitssicherheit an öffentlichen Schulen in Niedersachsen (ex SSD, ex LRA).

28.11.2009, 08:45
Gibt es eine Faustregel ab welchem Blutzuckerwert es sich um eine Unter/überzuckerung handelt?

28.11.2009, 10:26
Hallo Andre,

ja, die gibt es. Ich schlage vor, du nutzt Google und gibst mal "Blutzuckerwerte" ein.
Ich bin gleich beim 1. Treffer fündig geworden.

Etwas verwirrend sind die verschiedenen Maßeinheiten, die aber in der Dimmension immer gleich sind.

mg/dl (Dezilieter) = mg% = mg/100ml (nur mmol/l fällt da raus)

Melde dich aber gerne, wenn du Fragen hast!

Gruß

Gerd
Zuletzt geändert von Gerd am 28.11.2009, 10:29, insgesamt 1-mal geändert.
Gerd,
Fachkraft für Arbeitssicherheit an öffentlichen Schulen in Niedersachsen (ex SSD, ex LRA).


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