Metabolische Azidose

Hier kann über alle Maßnahmen von der Ersten Hilfe bis zur klinischen Behandlung diskutiert werden.

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24.12.2011, 11:38
Erstmal ein schönes Weihnachtsfest an die hier versammelte Forengemeinde!
Damit es aber über die Feiertage nicht langweilig wird, stell ich mal ein - in meinen Augen sehr spannendes, aber auch komplexes - Thema zur Diskussion.

Wie der Titel nur unschwer vermuten lässt, geht es um eine Übersäuerung des Körpers, die durch den Stoffwechsel bedingt ist; genauer interessiert mich dies im Zusammenhang mit einer (deutlichen) Überzuckerung.
Im Rahmen einer der letzten Gruppenstunden (nicht im SSD, sondern in der Gliederung) kam die vortragende Kollegin auch kurz auf diese Thematik zu sprechen, und zwar im Zusammenhang mit den verschiedenen Atmungstypen. Der Körper versucht ja durch eine vermehrte Abatmung des CO2, den pH-Wert des Blutes zu senken; das ist in meinen Augen auch ziemlich unumstritten. In diesem Zusammenhang spricht man ja im "Normfall" von einer sogenannten Kussmaul-Atmung, über die der Betroffene eine erhöhte Abatmung des Kohlenstoffdioxids erreichen kann.

Zu meinem Verständnisprobem: In diesem Zuge wurde die Aussage getroffen, dass ein solcher Patient über eine verschnellte Atmung verfügt; in meinen Augen ist es allerdings so, dass Patienten mit einem solchen Krankheitsbild lediglich ein gesteigertes Atemminutenvolumen haben, was in erster Linie durch eine vertiefte Atmung reguliert wird. Eingeworfen in die Diskussion, kam allerdings von verschiedenen Kollegen die Aussage, dass in einem sehr hohen Prozentsatz dies durch eine erhöhte Atemfrequenz erreicht werden soll.

Wie sieht das denn nun aus? Das Nachlesen in mehreren (Fach-)Büchern, wie z.B. Pschyrembel, Rettungsdienst heute oder einem Fachbuch innere Medizin, hat mich eigentlich nur in meiner Aussage bestätigt, dass die Patienten nur in wenigen Fällen über eine erhöhte Atemfrequenz verfügen; in einem Großteil der Fälle wird das gesteigerte AMV (was ja nicht zur Diskussion steht) lediglich über ein erhöhtes Atemzugvolumen reguliert.

Über ein paar weiterbringenden (qualifizierte) Meinungen freue ich mich! :)
24.12.2011, 12:18
Original von Tone Bone
Der Körper versucht ja durch eine vermehrte Abatmung des CO2, den pH-Wert des Blutes zu senken; das ist in meinen Augen auch ziemlich unumstritten.


In meinen Augen nicht. Eine vermehrte Abatmung von Co2 führt nämlich zu einer Anhebung des pH-Wertes. :D

Zu Deiner eigentlichen Frage:

Wenn der Patient eine metabolische Azidose hat, dann wird er versuchen, diese durch vermehrte Abatmung von Co2 zu kompensieren. Eine vermehrte Abatmung von Co2 geschieht nun durch eine Steigerung des Atemminutenvolumens. Dabei gilt selbstverständlich:

AMV = Tidalvolumen x Atemfrequenz

Somit ist es letztlich für die Steigerung des AMV egal, ob die Atemfrequenz oder das Tidalvolumen gesteigert werden. Dabei lassen wir mal ausser acht, dass bei einer Veränderung der Atemfrequenz auch der Anteil der Totraumventilation gesteigert wird.

Was macht aber nun der Patient? Wird er das Tidalvolumen oder die Atemfrequenz steigern? Das wäre ja die Antwort auf Deine Frage. Leider gibt es diese Antwort nicht so einfach. Wenn wir von einem gewissen Atemminutenvolumen ausgehen, gibt es immer eine Kombination von Tidalvolumen und Atemfrequenz, die der Körper wählen wird und das ist die, die für ihn den geringsten Energieverbrauch bedeutet. Dies könnte man nach der Otis-Formel ausrechnen. Wahrscheinlich wird es aber so sein, dass der Patient eine Kombination aus beidem machen wird, er wird also Tidalvolumen und die Frequenz steigern.
Zuletzt geändert von Don Spekulatius am 24.12.2011, 12:19, insgesamt 1-mal geändert.
Es ist Dein Recht, Waffen abzulehnen. Es ist Deine Freiheit, nicht an Gott zu glauben. Aber wenn jemand in Dein Haus einbricht, sind die ersten beiden Dinge, die Du tun wirst: Jemanden mit einer Waffe rufen und beten, dass er rechtzeitig da ist.

24.12.2011, 12:51
Ich denke auch, dass dies sehr stark vom Patienten abhängt, denn es gibt den trainierten Sportler und Freizeittaucher, der problemlos sein Tidalvolumen um ein vielfaches erhöhen kann
und die 80-Jährige Raucherin, die nur noch über ein geringes inspiratorisches Reservevolumen verfügt und somit nur über eine Anhebung der Atemfrequenz das AMV steigern kann.
Mein Verein: DLRG
Meine Ausbildung: Sanitäter und Wasserretter

24.12.2011, 12:53
In meinen Augen nicht. Eine vermehrte Abatmung von Co2 führt nämlich zu einer Anhebung des pH-Wertes.

DAS sind dann wohl die Auswirkungen der Ferien...ich glaub, ich sollte mich gleich nochmal an Chemie setzen und mir zu Gemüte führen, was der pH-Wert ist ;) .

Danke für deine Ausführungen! Und ja, du hast genau mein "Problem" erfasst. Was sagt dir denn deine persönliche Erfahrung aus Krankenhaus etc.? Ist die Atemfrequez gesteigert oder "nur" das Atemzugvolumen?
Interessant in diesem Zusammenhang: Der Pschyrembel spricht von einer "verlangsamten bzw. normalen Atemfrequenz"; es wird also ausdrücklich nicht von einer erhöhten Atemfrequenz gesprochen!

24.12.2011, 13:24
Original von Tone Bone
In meinen Augen nicht. Eine vermehrte Abatmung von Co2 führt nämlich zu einer Anhebung des pH-Wertes.

DAS sind dann wohl die Auswirkungen der Ferien...ich glaub, ich sollte mich gleich nochmal an Chemie setzen und mir zu Gemüte führen, was der pH-Wert ist ;) .

Danke für deine Ausführungen! Und ja, du hast genau mein "Problem" erfasst. Was sagt dir denn deine persönliche Erfahrung aus Krankenhaus etc.? Ist die Atemfrequez gesteigert oder "nur" das Atemzugvolumen?
Interessant in diesem Zusammenhang: Der Pschyrembel spricht von einer "verlangsamten bzw. normalen Atemfrequenz"; es wird also ausdrücklich nicht von einer erhöhten Atemfrequenz gesprochen!


Unter welchem Stichwort findest Du denn diese Beschreibung im Pschyrembel? Bei Wikipedia findet man unter dem Stichwort "Metabolische Azidose" doch passend:

Ein Patient mit metabolischer Azidose fällt vor allem durch seine verstärkte, tiefe und beschleunigte Atmung auf (sogenannte Kußmaul-Atmung). ... Entscheidend für die Erkennung und Quantifizierung der metabolischen Azidose ist die Blutgasanalyse. Aus dem Basendefizit, dem pH-Wert und dem CO2 -Partialdruck lässt sich leicht das Ausmaß der metabolischen Azidose und das Ausmaß der respiratorischen Kompensation des Körpers erkennen.


Ansonsten finde ich es immer wieder witzig, dass Sanis mit Krankheitsbildern gequält werden, die für sie letztlich keine Konsequenz und Bedeutung haben. So können unsere Praktikanten meist mit "metabolischer Azidose" etwas anfangen, während sie nicht erklären können, was ein Herzinfarkt ist.

Wie auch immer. Die äußeren Merkmale einer metabolischen Azidose sind i.d.R. sehr dezent, d.h. man nimmt eine vermehrte Atmung nicht als solche wahr. Meist wird diese dann erst bei der Blutgasanalyse festgestellt. Allerdings muss man zugeben, dass bei den meisten Patienten, mit denen ich konfrontiert werde, die metabolische Azidose an einem Volumenmangelschock liegt. Diese Patienten sind ohnehin schwer krank.
Es ist Dein Recht, Waffen abzulehnen. Es ist Deine Freiheit, nicht an Gott zu glauben. Aber wenn jemand in Dein Haus einbricht, sind die ersten beiden Dinge, die Du tun wirst: Jemanden mit einer Waffe rufen und beten, dass er rechtzeitig da ist.

24.12.2011, 13:39
Unter welchem Stichwort findest Du denn diese Beschreibung im Pschyrembel?

Unter dem Stichtwort "Kußmaul-Atmung", auf das in der Beschreibung der metabolischen Azidose verwiesen wird.

Und mir ist durchaus bewusst, dass es keine wirkliche Relevanz für mich hat, ob nun die AF oder das AZV gesteigert ist, aber ein Interesse an bestimmten Themen sollte ja nicht schaden.

24.12.2011, 13:53
Original von Tone Bone
Und mir ist durchaus bewusst, dass es keine wirkliche Relevanz für mich hat, ob nun die AF oder das AZV gesteigert ist, aber ein Interesse an bestimmten Themen sollte ja nicht schaden.


Richtig. Manchmal muss man sich aber damit abfinden, dass es keine schwarz/weiss - Antworten gibt. Nun - wenn man googelt wird in der Tat die Kussmaulsche Atmung als tief und normofrequent beschrieben. Sucht man aber nach respiratorischer Kompensation einer metabolischen Azidose, so findet man nun den Hinweis auf eine Hyperventilation. Hier schließt sich wieder der Kreis zu dem, was ich geschrieben habe. Der Körper steigert zur Kompensation das AMV. Ich bin immer noch davon überzeugt, dass er sowohl AF als auch das Tidalvolumen steigert nämlich genau so, dass er damit den geringsten Energieverbrauch hat. Beim Sport machst Du Dir auch keine Gedanken darüber, ob Du nun schneller oder tiefer atmen sollst - es geschieht einfach. Aber es geschieht nicht willkürlich, sondern so, dass es energetisch für Dich optimal ist.
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