Hajo Behrendt
Beiträge: 1519
Wohnort: Metropole und Welthauptstadt Wasbek (bei Neumünster) - Schleswig-Holstein
Qualifikation: RettAss
Wohnort: Metropole und Welthauptstadt Wasbek (bei Neumünster) - Schleswig-Holstein
Qualifikation: RettAss
Der Schulsanitätsdienst einer beruflichen Schule in Kiel betreut am 26. 01. 2011 eine Schulsportveranstaltung, die ca. bis 14.00 Uhr dauert.
Nach Ende der Veranstaltung beschließen einige Helfer, in einer nahegelegnen Kantine etwas essen zu gehen, um später eine am Abend stattfindende Informationsveranstaltung der Schule zu betreuen.
Auf dem Weg zum Restaurant findet das Team (zwei LRA, ein Sanitäter im Einsatzdienst und eine Sanitätshelferin) in der Nähe einer Kreuzung (ca. 500 m von der Dienststelle entfernt) gegen 14.29 Uhr eine auf dem Boden liegende ältere Dame vor.
Die Patientin bewegt sich augenscheinlich nicht mehr und liegt in Rückenlage leicht bekleidet auf dem Gehweg. Zwei Passantinnen treffen zeitgleich mit dem Team bei der Patientin ein.
Da (verständlicherweise) kein Material mitgeführt wird, kümmern sich die beiden Rettungsassistenten zunächst um die Patientin, während die Passanten Decken aus einem in der Nähe befindlichen Altenheim holen sollen.
Die Dame ist ansprechbar, wirkt aber stark desorientiert und zittert. Der Puls ist peripher am Handgelenk (schlecht) tastbar, arrhythmisch mit einer Frequenz von ca. 100. Bei der Pulsmessung fällt eine Hypothermie auf (Außentemperatur nur knapp über dem Gefrierpunkt), aufgrund des Kältezitterns befindet sich die Patientin jedoch noch im Abwehrstadium, daher wird von einer KKT zwischen 34 und 37 Grad ausgegangen. Die Atemfrequenz ist normal, die Person ist blass, es liegt aber keine Zyanose vor.
Im Anschluss wird kurz überlegt, ob es Sinn macht, Material aus der Dienststelle zu holen, aufgrund der Entfernung und der vermuteten schnellen Eintreffzeit des Rettungsdienstes (ca. zwei Kilometer entfernte Wache) wird dieser Plan jedoch verworfen.
Der Sanitäter tätigt in der Zwischenzeit den Notruf (Kollabierte, ältere Person, nicht orientiert, Hypothermie) und fordert einen Rettungswagen an.
In der Zwischenzeit treffen auch Decken aus dem Pflegeheim ein, eine examinierte Pflegekraft kommt ebenfalls hinzu, um zu sehen, ob es sich bei der Patientin um eine Heimbewohnerin handelt. Dies ist nicht der Fall.
Die Decken werden auch unter die Patientin gelegt und der Kopf etwas hochgelagert. Hierzu kniet sich die Sanitätshelferin hinter die Patientin und übernimmt in dieser Position auch die Betreuung.
Ein RettAss erhebt derweil eine Anamnese gem. S-KAMEL-Schema.
Die Patientin ist leicht tachykard, wahrscheinlich hypoton und unterkühlt. Es liegen diverse internistische Grunderkrankungen (Herz, Diabetes...) vor, jedoch treten hier keine akuten Symptome auf, die sich einer Erkrankung zuordnen lassen. Trotzdem kann sich die Patientin nicht an alle Grundleiden erinnern und wirkt nach wie vor verwirrt bzw. leicht dement. Die 1924 geborene Patientin muss täglich mehrere Medikamente einnehmen, kann aber nicht mitteilen, um welche es sich handelt. Lediglich die Einnahme eines Thrombozythenaggregationshemmers kann anamnestisch in Erfahrung gebracht werden. Allergien werden verneint. Die letzte Mahlzeit wurde morgens eingenommen, die Pat. musste sich jedoch danach übergeben. An den Sturz und die unmittelbare Zeit davor kann sich die Dame jedoch nicht mehr erinnern.
Ein Bodycheck ergibt keine weiteren Verletzungen, Pupillenraktion seitengleich auf Licht, Handdruckkreuzprobe ohne Befund.
Der um 14.32 nachgeforderte Rettungswagen trifft um 14.37 Uhr an der Einsatzstelle ein und übernimmt die Patientin nach einer Übergabe. Erfreulicherweise wurde das Fahrzeug auf der Anfahrt schon über einen Wärmetauscher vorgeheizt, sodass die Patientin zur weiteren (gerätediagnostischen) Untersuchung direkt ins Warme verbracht werden kann.
Diskussion:
Es muss nicht immer viel Material sein!
Auch "rein verbal" lassen sich viele Parameter beurteilen. So kann die Stärke/Qualität des Pulses Aufschluss über den Blutdruck geben, Herzrhythmusstörungen lassen sich durch einen unregelmäßigen Puls feststellen. Auch auf Zeichen eines Schocks (Zentralisation, verlängerte Rekapilarisationszeit bei Nagelprobe, 3-K-Schweiß) kann durch Ersthelfer geachtet werden. Viele Informationen lassen sich auch durch eine ordentliche Anamnese generieren. Das SAMPLE oder S-KAMEL-Schema bietet eine gute Merkhilfe zu den abzufragenden Inhalten.
Es ist sehr die Frage, ob das Nachholen der Notfallausrüstung hier zu einem Qualitätsgewinn geführt hätte. Aufgrund der langen zurückzulegenden Strecke (800-1000m) wäre es eh wahrscheinlich erst zeitgleich mit dem RTW eingetroffen, obwohl Personal zum Holen vorhanden gewesen wäre.
Es ist wichtig, dass Schulsanitäter auch ohne Material Basismaßnahmen gut beherrschen und anwenden können, denn wie dieser Fall beweist: Unverhofft kommt oft. (Und immer direkt vor der Mittagspause oder vor Feierabend...)
Abschließend möchte ich mich noch einmal bei allen Beteiligten, insbesondere auch den Berufsfeuerwehr-Beamten vom 11/83/4, für die gute Zusammenarbeit bedanken.
Nach Ende der Veranstaltung beschließen einige Helfer, in einer nahegelegnen Kantine etwas essen zu gehen, um später eine am Abend stattfindende Informationsveranstaltung der Schule zu betreuen.
Auf dem Weg zum Restaurant findet das Team (zwei LRA, ein Sanitäter im Einsatzdienst und eine Sanitätshelferin) in der Nähe einer Kreuzung (ca. 500 m von der Dienststelle entfernt) gegen 14.29 Uhr eine auf dem Boden liegende ältere Dame vor.
Die Patientin bewegt sich augenscheinlich nicht mehr und liegt in Rückenlage leicht bekleidet auf dem Gehweg. Zwei Passantinnen treffen zeitgleich mit dem Team bei der Patientin ein.
Da (verständlicherweise) kein Material mitgeführt wird, kümmern sich die beiden Rettungsassistenten zunächst um die Patientin, während die Passanten Decken aus einem in der Nähe befindlichen Altenheim holen sollen.
Die Dame ist ansprechbar, wirkt aber stark desorientiert und zittert. Der Puls ist peripher am Handgelenk (schlecht) tastbar, arrhythmisch mit einer Frequenz von ca. 100. Bei der Pulsmessung fällt eine Hypothermie auf (Außentemperatur nur knapp über dem Gefrierpunkt), aufgrund des Kältezitterns befindet sich die Patientin jedoch noch im Abwehrstadium, daher wird von einer KKT zwischen 34 und 37 Grad ausgegangen. Die Atemfrequenz ist normal, die Person ist blass, es liegt aber keine Zyanose vor.
Im Anschluss wird kurz überlegt, ob es Sinn macht, Material aus der Dienststelle zu holen, aufgrund der Entfernung und der vermuteten schnellen Eintreffzeit des Rettungsdienstes (ca. zwei Kilometer entfernte Wache) wird dieser Plan jedoch verworfen.
Der Sanitäter tätigt in der Zwischenzeit den Notruf (Kollabierte, ältere Person, nicht orientiert, Hypothermie) und fordert einen Rettungswagen an.
In der Zwischenzeit treffen auch Decken aus dem Pflegeheim ein, eine examinierte Pflegekraft kommt ebenfalls hinzu, um zu sehen, ob es sich bei der Patientin um eine Heimbewohnerin handelt. Dies ist nicht der Fall.
Die Decken werden auch unter die Patientin gelegt und der Kopf etwas hochgelagert. Hierzu kniet sich die Sanitätshelferin hinter die Patientin und übernimmt in dieser Position auch die Betreuung.
Ein RettAss erhebt derweil eine Anamnese gem. S-KAMEL-Schema.
Die Patientin ist leicht tachykard, wahrscheinlich hypoton und unterkühlt. Es liegen diverse internistische Grunderkrankungen (Herz, Diabetes...) vor, jedoch treten hier keine akuten Symptome auf, die sich einer Erkrankung zuordnen lassen. Trotzdem kann sich die Patientin nicht an alle Grundleiden erinnern und wirkt nach wie vor verwirrt bzw. leicht dement. Die 1924 geborene Patientin muss täglich mehrere Medikamente einnehmen, kann aber nicht mitteilen, um welche es sich handelt. Lediglich die Einnahme eines Thrombozythenaggregationshemmers kann anamnestisch in Erfahrung gebracht werden. Allergien werden verneint. Die letzte Mahlzeit wurde morgens eingenommen, die Pat. musste sich jedoch danach übergeben. An den Sturz und die unmittelbare Zeit davor kann sich die Dame jedoch nicht mehr erinnern.
Ein Bodycheck ergibt keine weiteren Verletzungen, Pupillenraktion seitengleich auf Licht, Handdruckkreuzprobe ohne Befund.
Der um 14.32 nachgeforderte Rettungswagen trifft um 14.37 Uhr an der Einsatzstelle ein und übernimmt die Patientin nach einer Übergabe. Erfreulicherweise wurde das Fahrzeug auf der Anfahrt schon über einen Wärmetauscher vorgeheizt, sodass die Patientin zur weiteren (gerätediagnostischen) Untersuchung direkt ins Warme verbracht werden kann.
Diskussion:
Es muss nicht immer viel Material sein!
Auch "rein verbal" lassen sich viele Parameter beurteilen. So kann die Stärke/Qualität des Pulses Aufschluss über den Blutdruck geben, Herzrhythmusstörungen lassen sich durch einen unregelmäßigen Puls feststellen. Auch auf Zeichen eines Schocks (Zentralisation, verlängerte Rekapilarisationszeit bei Nagelprobe, 3-K-Schweiß) kann durch Ersthelfer geachtet werden. Viele Informationen lassen sich auch durch eine ordentliche Anamnese generieren. Das SAMPLE oder S-KAMEL-Schema bietet eine gute Merkhilfe zu den abzufragenden Inhalten.
Es ist sehr die Frage, ob das Nachholen der Notfallausrüstung hier zu einem Qualitätsgewinn geführt hätte. Aufgrund der langen zurückzulegenden Strecke (800-1000m) wäre es eh wahrscheinlich erst zeitgleich mit dem RTW eingetroffen, obwohl Personal zum Holen vorhanden gewesen wäre.
Es ist wichtig, dass Schulsanitäter auch ohne Material Basismaßnahmen gut beherrschen und anwenden können, denn wie dieser Fall beweist: Unverhofft kommt oft. (Und immer direkt vor der Mittagspause oder vor Feierabend...)

Abschließend möchte ich mich noch einmal bei allen Beteiligten, insbesondere auch den Berufsfeuerwehr-Beamten vom 11/83/4, für die gute Zusammenarbeit bedanken.
Zuletzt geändert von Hajo Behrendt am 05.04.2011, 22:06, insgesamt 3-mal geändert.
35 Jahre, Im-RTW-beim-Patienten-Sitzer, hauptamtlicher "Zivi"-in-den-Hintern-Treter, ehrenamtl. Löschknecht, Obermufti von einigen SSDs -- im schönsten Bundesland der Welt: Schleswig-Holstein!